Liebe Trainerinnen und Trainer,

in vielen Trainingsübungen steckt manchmal mehr als wir meinen.  Die Übung, die ich euch diesmal vorstelle, zählt zu dieser Kategorie. Sie stammt aus dem  Buch „Spanish Football Federation, Coaching Program U 9 – U 12.“ In dieser Übung geht es darum, sich freizulaufen, den Ball nach einem Zuspiel schnell zu verarbeiten, unter Druck Lösungen zu finden und zielstrebig abzuschließen. Das verteidigende Team muss schnell reagieren, Schüsse blocken und Passwege zuzustellen. Außerdem müssen die Kinder, die die Bälle ins Feld spielen, schnell reagieren und das angreifende Team mit genauen Pässen bedienen. Alle müssen ständig auf Zack sein.  Die Grundform beinhaltet also viele Punkte, die wir unseren Kindern bei bringen möchten.

Im Mittelpunkt der Grundform steht, dass wir die Kinder ermutigen müssen, den Ball zu fordern. Sie dürfen keine Angst vor der Ballannahme in Drucksituationen haben. Im Gegenteil: Sie müssen schnell gelöst werden: Muss ich den Ball abschirmen? Kann ich meinen Gegenspieler mit einer Annahmefinte überlisten? Kann ich sogar direkt abschließen? Und wenn das Spiel läuft:  Muss ich meinen Mitspieler hinterlaufen? Muss ich ihm Raum geben? Ist jetzt ein Wechsel der Angriffsrichtung sinnvoll?

Fehler sind erlaubt. Gerade die Jüngsten müssen früh lernen, wie sie ein Anspiel mit einem Gegner im Rücken verarbeiten. Wir wollen mehr als Fußballerinnen und Fußballer, die den Ball nur zum Torwart zurückspielen und ihn klatschen lassen. Es geht darum, Lösungen zu finden, die uns ermöglichen, den Ball nach vorne zu spielen. Und wenn es mal schief gegangen ist, geht es weiter. Natürlich müssen wir die Kinder coachen und das Training lenken. Aber die Kinder müssen ihre eigenen Erfahrungen machen und brauchen Freiraum. Und meistens ziehen sie daraus auch die richtigen Schlüsse.

Viele von euch haben diese Übung vielleicht schon einmal genutzt – wenn auch in einer anderen Form. Und deshalb gehört sie auch zu meinen Lieblingsübungen. Unter dem Stichwort Variationen hätte ich noch viel mehr Punkte ausführen können  - und damit wahrscheinlich den Rahmen gesprengt (😊). Mit kleinen Änderungen können wir für viel Abwechslung sorgen und zugleich verschiedene Lerninhalte betonen.

Alleine schon ein Zeitlimit für die Zuspieler war zum Beispiel  sehr effektiv. Unmittelbar nachdem die Farbe aufgerufen wird, hat das Kind nur fünf (drei) Sekunden Zeit, den Ball dem angreifenden Team zuzuspielen. Falls es die Zeit überschreitet, bekommt das angreifende Team einen halben Punkt abgezogen. Die Kinder in der Mitte müssen sich also effektiv freilaufen und die Kinder an den Anspielpunkten müssen das Geschehen jederzeit im Blick haben. Die Kinder, die verteidigen, müssen alles daransetzen, das Anspiel zu verhindern. Da geht schon vor den Zweikämpfen die Post ab.

Wenn ihr eigene Ideen zu dieser Übung habt, schreibt uns doch. Ich glaube, dass aus ihr noch viel mehr herauszuholen ist.

Wolfgang Grave